Jetzt ist Eiszeit!

Eine spektakuläre Trekkingtour auf dem größten Eisstrom der Alpen

Der Sommer hat mächtig aufgedreht dieses Jahr, vor allem in den Großstädten ließ er uns ganz schön schwitzen. Lust auf ein kühles Intermezzo? Dann nichts wie ab in die Berge! In der autofreien Aletsch Arena im Schweizer Wallis wartet eine atemberaubende Naturkulisse und der längste Gletscher der Alpen – der Große Aletschgletscher. Egal, ob man ihn von einer der Aussichtsplattformen aus bewundert oder ob man zu ihm hinabsteigt, um ihn aus nächster Nähe zu erleben – kalt lässt die Begegnung mit dem gewaltigen Eisstrom garantiert niemanden.

Die erste Begegnung mit dem Aletschgletscher ist ein bisschen wie Theater, großes Theater natürlich. Allein schon die Kulisse raubt einem den Atem, wenn man eine der drei Aussichtsplattformen der Aletsch Arena – auf der Hohfluh/Moosfluh, dem Bettmerhorn oder dem Eggishorn – betritt: Aus 4000 Metern Höhe, umgeben von den schneebedeckten Viertausendern der Jungfrau Region, wälzt sich der gigantische Eisstrom in einer langgezogenen Kurve sichtbare 23 Kilometer talwärts. Die erhabene Schönheit dieser zeitlosen „Urlandschaft“, die 2001 als erste Alpenregion zum UNESCO Welterbe erklärt wurde, ist überwältigend, und ihre Ausmaße sind respekteinflößend: Das Eis bedeckt eine Fläche von rund 86 Quadratkilometern (zum Vergleich: Bayern misst 71) und ist an manchen Stellen bis zu 900 Meter dick! Über Jahrtausende formte der Aletschgletscher die Landschaft, schliff Gestein glatt und nahm mit, was sich ihm in den Weg stellte. Bis heute ist der Gletscher in Bewegung: Auf der Höhe des Bettmerhorns liegt seine Fließgeschwindigkeit bei ca. 80-90 Metern, weiter oben, an der Konkordiahütte, sogar bei 200 Metern im Jahr. Sichtbarstes Zeugnis seines ungebremsten Bewegungsdranges sind die dunklen Streifen, die die Eisfläche auf ihrer gesamten Länge durchziehen: die sogenannten Mittelmoränen – gewaltige Geröllablagerungen, die der Gletscher mit sich führt. Laudo Albrecht, Leiter des Pro Natura Zentrums Aletsch, erklärt, dass die Mittelmoränen ursprünglich Seitenmoränen waren und durch das Zusammenfließen der drei Eisströme entstanden sind. Durch die Abwärtsbewegung und das Abschmelzen des Eises wird das Geröll an die Oberfläche des Gletschers befördert, ähnlich wie die Rosinen in einem Gugelhupfteig.

Trekkingtour auf dem Eispanzer

Die Faszination, die vom Großen Aletschgletscher ausgeht, lässt sich in den Sommermonaten noch steigern – durch eine Tour zum und auf den Gletscher. Wer glaubt, das sei ein exklusives Vergnügen für erfahrene Bergsteiger, der irrt glücklicherweise: Ein paar Wanderstiefel, Sonnenschutz, eine warme Jacke, Vesperrucksack und Ausdauer für 6 Stunden genügen, um an einer der geführten Touren teilzunehmen!

Erste Erkenntnis schon nach kurzer Zeit: Der Gletscher verändert sein Aussehen mit jedem Schritt, den man näher kommt. Von ganz oben, vom Kamm des Höhenzugs betrachtet, sah er noch aus wie ein breiter, stellenweise grauer Strom. Das ändert sich schlagartig, als die ersten winzigen Farbtupfer auf dem Eis auftauchen – türkisblau leuchtende Schmelzwasserpfützen und -bächlein, in denen das geschmolzene Gletscherwasser abfließt. Von diesem Punkt an nimmt der Gletscher immer mehr die Farbe blau an. Eisblau.

Zweite Erkenntnis: Auf Augenhöhe mit dem Eis angekommen, sieht alles noch einmal ganz, ganz anders aus. Wie ein riesiges gestrandetes Tier liegt der Gletscher da, immer noch mächtig, aber gleichzeitig auch verletzlich. Dank der Steigeisen, die der Bergführer für jeden in der Gruppe dabei hat, kann man das Tier besteigen und darauf herumgehen. Das Knirschen des 800 Jahre alten Eises unter den Füßen, das spürbare Absinken der Temperatur und die spröde Schönheit dieser einmaligen Eislandschaft – all das ist so faszinierend fremd und anders, dass man sich ganz weit weg fühlt von seinem Alltag und dem Rest der Welt. Ich bin dann mal auf Expedition im ewigen Eis! Noch vor 20, 30 Jahren, so erzählen es die Bergführer, befand sich der Einstieg in den Gletscher etwa 100 Meter weiter oben, wie man bei einem Blick auf das rötliche Gestein an den Rändern der Gletscherzunge leicht erkennen kann. Der jahrhundertealte Eispanzer schrumpft, in den letzten Jahrzehnten sogar durchschnittlich 20-30 Meter pro Jahr. Tendenz steigend. Bei einer Gletschertour kommt man um diese Wahrheit nicht herum, aber man erfährt sie gewissermaßen aus erster Hand und aufs Engste mit dem Wunsch verknüpft, dass diese wunderbare Natur erhalten bleibt. Laudo Albrecht vom Pro Natura Zentrum Aletsch hofft, dass diese Erfahrung und die Faszination des Gletschers dabei helfen, das Bewusstsein für seine Gefährdung zu schärfen und die Menschen für den Schutz der Natur zu gewinnen. Es wäre schön, wenn diese Rechnung aufginge.

INFO: 
Aletsch Arena:
UNESCO-Welterberegion im Schweizer Kanton Wallis. 300 Kilometer ausgeschilderte Wanderwege vor der Kulisse des imposanten Aletschgletschers, dem größten in den Alpen, und 40 Viertausender.
Wandersaison: 04.06.2015 – 25.10.2015
www.aletscharena.ch

Verwandte Beiträge

Nichts mehr verpassen.

Abonnieren Sie unseren Newsletter!

Mit News zu unseren Magazinen und zu vielen weiteren Produkten aus unserem Verlagsprogramm.