Rügen – Maritimes Wandern auf Deutschlands größter Insel

Hoch aufragende Kreidefelsen, milchig-grünes Ostseewasser, lange Strände, alte Buchenwälder, grasige Hügel mit tollen Aussichten auf das Meer – das alles erwartet den Wanderer auf der größten deutschen Ostseeinsel. Björn Nehrhoff von Holderberg machte dort Halt.

Tour 1 – Mönchgut: Wiesenhügel, Blumen und Panoramablicke

18 Kilometer (+ 7 km Rad oder alternativ mit dem Bus von Klein Zicker zurück nach Groß Zicker); reine Gehzeit ca. 4,5 Stunden

Ich möchte auf dieser Wanderung die Zickerschen Berge mit einem Besuch des kleinen Zickers kombinieren. Doch dies ist kein Rundweg, denn zwischen den beiden Halbinsel befindet sich eine Meerenge. Um nicht zweimal Teile des gleichen Wegs gehen zu müssen, deponiere ich daher am Parkplatz vor Klein Zicker ein Rad. Das Auto lasse ich anschließend im Ort Groß Zicker auf dem Dorfparkplatz zurück. Zunächst einmal folge ich der Dorfstraße mit ihren malerischen, schilfgedeckten Häusern und hübschen Vorgärten, in denen es jetzt Ende Mai in bunten Farben üppig blüht.

Im Mittelalter gehörte das ganze Gebiet im Südosten Rügens mit seinen verschachtelten Halbinseln und Buchten zum Kloster Eldena. Die dort herrschenden Zisterziensermönche sollen die lokale Bevölkerung dazu angereizt haben, sich nur durch Eigenwirtschaft zu ernähren. Der Nachteil dieser Strategie war, dass die Kirchenherren gleichzeitig für eine Abschottung sorgten und das durch einen tiefen Graben im Norden des Guts manifestierten und ihre Untertanen damit vom Rest der Welt abtrennten. Heute dagegen leben die Menschen hier hauptsächlich vom Tourismus.

Gleich nach dem Ortsausgang sehe ich eine Hügelkette vor mir, bedeckt von grünen Wiesen und kleinen Wäldchen. Gemütlich folge ich dem Wanderweg die Zicker Berge hinauf. Mit jedem Schritt wird der Ausblick besser. Oben ist der Blick auf Klein Zicker und die blauen Bodden rund herum nahezu berauschend. Besonders schön empfinde ich die Sicht bei einem Abstecher auf einen Wiesenbuckel an der Südwestecke der Zickerschen Berge. Doch nicht nur die Weite der Landschaft beeindruckt mich. Um mich herum blüht es jetzt im Mai wie wild. Löwenzahn und Hahnenfuß sorgen für gelbe Farbtupfer. Faszinierend sind auch die explodierenden Blüten der solitären Weißdornbüsche.

Nach dem kleinen Abstecher verschwindet der Weg in einen kleinen Wald, um anschließend über eine steile Treppe zum Strand hinunter zu steigen. Ganz im Westen der Zickerschen Berge prägen Steilküsten die Landschaft. Ich folge anschließend der Strandlinie nach Norden in Richtung Hagensche Wiek und treffe auf eine Uferschwalbenkolonie. Die kleinen Vögel schwirren in einem für mein Auge wirren Durcheinander mit wilden Flugmanövern vor der Wand herum. …

Tour 2 – Jasmund Nationalpark: An der weißen Kante lang

8 Kilometer (vorher mit dem Rad vom Parkplatz Hagen zum Königsstuhl, 3,5 Kilometer einfach, alternativ mit dem Bus); reine Gehzeit ca. 3 Stunden

Die 11 Kilometer breiten und bis zu 116 Meter hohen Kreidefelsen Rügens sind eine der Hauptattraktionen Deutschlands im Naturtourismus. Kein Wunder, denn schon der Maler Casper David Friedrich sorgte mit seinem Bild »Kreidefelsen auf Rügen« dafür, die Schönheit dieses Platzes in die Welt zu tragen. Heute erstreckt sich über die Halbinsel Jasmund der gleichnamige Nationalpark.

Am liebsten genieße ich solche magischen Orte in der Natur ganz allein, was bei der touristischen Lage hier eigentlich unmöglich ist. Der Leser wundert sich daher vielleicht auch nicht, wenn er hört, dass mich mein Wecker um kurz vor 4 Uhr aus dem Schlaf reißt. Die frühe Zeit hat außerdem noch den Vorteil, dass ich bei Sonnenaufgang vor Ort sein kann. Keine zehn Minuten später strample ich im Dunklen mit meinem Fahrrad und einem Rucksack voller Fotoausrüstung auf dem Rücken die tagsüber für den privaten Autoverkehr gesperrte Straße zum Königsstuhl hinunter. Dort angekommen, führt mich mein erster Weg direkt auf den Königsstuhl.

Der weit aus der eigentlichen Steilküste hervorragende Felsen bietet eine Aussichtsplattform, für deren Betreten man Eintritt zahlen muss, wenn man nach acht Uhr erscheint. Zu so früher Stunde kann ich allerdings ganz ohne Kosten den Aussichtspunkt genießen. Ein roter Sonnenball kratzt schon von unten am Horizont. Ein Zeichen, mich zu sputen, denn zum Sonnenaufgang wollte ich bereits am Strand sein. Dorthin komme ich allerdings nur über eine endlos lange Holztreppe, die sich in Serpentinen die Kreideküste hinab senkt. Die immerhin 100 Höhenmeter nehmen doch etwas Zeit in Anspruch. Die Sonne ist schon voll zu sehen, als ich unten ankomme. Zu meinem Erstaunen bin ich nicht ganz allein zu so früher Stunde, denn ein paar hundert Meter weiter beginnt gerade ein Modeshooting mit Models und Fotografenteam. Auf Nachfrage erfahre ich, dass hier die neuen Fotos für die Mecklenburg-Vorpommern-Werbung entstehen. Da ich sowieso in die Gegenrichtung wandern möchte, bin ich schnell wieder allein.

Ich möchte unterhalb der Kreidefelsen um den Kollicker Ort herum zur nächsten Treppe am Kieler Bach laufen. Da der Strand sehr steinig ist und ich naturgemäß viele Fotos mache, dauert das eine ganze Weile. Wer Glück hat, kann zwischen den Steinen Fossilien, wie Donnerkeile, versteinerte Seeigel und Ammoniten, entdecken. Meine Aufmerksamkeit richtet sich im Moment aber mehr auf die weißen Wände am Ufer, die von der Sonne jetzt in satten Rosatönen erleuchtet werden …

Daten und Fakten

  • Beste Reisezeit
    Wer den Touristenmassen entkommen möchte, sich aber doch einigermaßen stabiles Wetter erhofft, der kommt im Frühjahr oder im Herbst. Im späten Frühjahr blüht und grünt es überall. Der Herbst hält in der Regel wegen der temperaturdämpfenden Ostsee länger als am Festland. Der Sommer hat den Vorteil, dass man in der Ostsee baden kann. Auch im Winter ist die Insel Rügen einen Besuch wert.
  • Wanderungen
    Die hier ausgewählten Wanderungen können natürlich nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten auf der riesigen und verschachtelten Insel zeigen. Es gibt unzählige weitere schöne Ecken zum Wandern, die es sich auch auf eigene Faust zu erkunden lohnt. Wer gern mit dem Rad unterwegs ist, der wird auf Rügen auch eine Vielzahl schöner Routen entdecken können. Die Tour am Kap Arkona kann sogar ganz mit dem Rad gefahren werden, während auf dem Mönchgut, der Schaabe und um die Kreidefelsen das Rad stehen bleiben muss.
  • Anspruch
    Alle Wanderungen sind technisch einfach und konditionell nicht besonders herausfordernd. Lediglich Sand und Kiesstrände sorgen mancherorts für erschwertes Fortkommen.
  • Gefahren
    Abbrüche an den Steilküsten an der Halbinsel Jasmund, der Wittower Halbinsel und den Steilküsten der Zickerschen Berge sind theoretisch jederzeit möglich und obliegen der persönlichen Verantwortung. Nach Regen- und Frostereignissen sind diese Gebiete besonders brüchig.
  • Unterkunft
    Zahlreiche Campingplätze sind in der Region vorhanden, sehr oft sogar mit direktem Meerzugang. Die Auswahl an B&B sowie Hotels und Pensionen ist nahezu unendlich. In jeder Preisklasse ist etwas dabei. Wer im Bulli übernachten möchte, sollte wissen, dass fast ganz Rügen voll von Übernachtungsverbotsschildern ist. Auch Parkautomaten findet man in der hintersten Ecke oder beim Einkauf im Supermarkt. In dieser Hinsicht sicher etwas über das Ziel hinausgeschossen.
  • Alternative Möglichkeiten 
    Ist das Wetter einmal schlecht, empfiehlt sich ein Besuch im Ozeaneum in Stralsund. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Attraktionen wie Schwimmbäder, Museen oder Schmetterlingsparks. Wer die Welt gern mal vom Wasser aus betrachten möchte, bucht eine Fahrt auf einem Fischkutter in Sassnitz oder Vitt. Wer sich dabei lieber bewegt, der leiht sich ein Kajak für eine Tour auf dem Bodden. Ist man auf dem Wasser noch unsicher, gibt es auch geführte Touren. (z.B. wasser-wind.de oder ruegen.de/aktivitaeten/wassersport/kanu-kajak.html)
  • Literatur
    »Rügenrundwanderweg« von Verena und Daniel Konold (Conrad Stein Verlag; ISBN 978-3-86686-278-4; 9,90 Euro)
  • Links
    www.ruegen.de, www.ozeaneum.de, www.nationalpark-jasmund.de, www.ruegen.de/aktivitaeten/wandern.htm

Autor: Björn Nehrhoff von Holderberg

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 04/2013.

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